



Bauen mit Holz ist eine faszinierende Gesamtaufgabe mit enormem globalen und gesellschaftlichen Nutzen. Gleichzeitig zeichnen sich Holzbauten durch traditionelle und innovative Technologien aus.
Die Branche braucht dringend gut ausgebildete Nachwuchskräfte für Führungsaufgaben, die das Handwerk von der Pike auf gelernt haben – und darüber hinaus Kompetenzen aus dem Ingenieurwesen sowie Projektmanagement mitbringen.
Um solche Nachwuchskräfte auszubilden, wurde 2010 im nördlichen Oberschwaben das Biberacher Modell ins Leben gerufen. Es ist ein ansprechendes, praktisch und theoretisch orientiertes Lernmodell, das bis heute einzigartig in Deutschland ist.
Die Geburtsstunde des Biberacher Modells
Die Holzbaubranche hat einen enormen Bedarf an qualifizierten Fachkräften. Gerhard Lutz war im Kompetenzzentrum Holzbau und Ausbau in Biberach die treibende Kraft und Entwickler des Studienmodells. Mit Prof. Norbert Büchter wurde die Idee an der Hochschule Biberach vertreten. Es ging ihnen vor allem darum Führungsnachwuchs zu schaffen, denn sie wussten vor zwölf Jahren schon, wie der Holzbau heutzutage boomen würde und es junge motivierte Leute bedarf, die der Herausforderung gewachsen sind.
Bei jedem neuen Projekt, das ein bisschen aus der Reihe fällt, gibt es natürlich Gegenwind. Sowohl in der Hochschule als auch im Kompetenzzentrum konnten die anfänglichen Vorbehalte aber ausgeräumt werden, so dass am 1. September 2010 der erste Jahrgang an den Start ging. Herr Büchter und Herr Lutz waren als Referenten von der ersten Stunde an ganz vorne mit dabei und sind es bis heute: Sie referieren bei den Studenten immer noch in den Bereichen Mathematik und Bauphysik. Sie lassen es sich auch nicht nehmen, jedes Jahr bei den Vorstellungsgesprächen mit dabei zu sein, um den Nachwuchs zu sichern, was auch bei den potentiellen Fachkräften nicht schlecht ankommt.
Dieses Jahr hat der 13. Kurs gestartet und es werden von Jahr zu Jahr mehr Teilnehmer. Da kann man nur eins sagen: Alles richtig gemacht.
Was verbirgt sich hinter dem Modell?
Fragt man einen Teilnehmer des Studiengangs nach dem Grund, warum er sich für das Biberacher Modell entschieden hat, kommt meistens als erste Antwort: „Wegen der Kombi aus Theorie und Praxis.“ Diese Mischung hat eine Vielseitigkeit in der gesamten Ausbildung von Anfang bis Ende zufolge. Zu Beginn der Ausbildungszeit von insgesamt 5 Jahren und 3 Monaten schließt man einen Lehrvertrag mit einem Meisterbetrieb ab und sendet seine Bewerbungsunterlagen bis zum 31. Mai an das Kompetenzzentrum.
Sofern alles klappt, beginnt man direkt im 2. Lehrjahr als Quereinsteiger seine Ausbildung. Je nach Wunsch ist es auch möglich, das erste Lehrjahr unabhängig vom Biberacher Modell zu machen, um nicht komplett ins kalte Wasser zu springen. Es gibt eigentlich nur einen Unterschied zwischen der dualen Ausbildung und der Ausbildung für das Biberacher Modell. Während der Berufsschulblöcke hat man nur 3 Tage Berufsschule und dafür 2 Tage in der Woche schon Vorlesungen. Nach den beiden Lehrjahren hat man also nicht nur den Gesellenbrief in der Tasche, sondern auch das erste Semester, welches von der Hochschule anerkannt wird. Danach geht es weiter mit dem Ingenieurstudium, jedes eine Reststudienzeit von 6 Semestern umfasst. Man wird an der Hochschule immatrikuliert und beginnt im 2. Semester. Vom 2. Bis zum 4. Semester durchläuft man den normalen Alltag als Student.
Das 5. Semester ist ein Praxissemester, welches für den Kurs zum Polier sowie den darauf aufbauenden Vorbereitungslehrgang zur Meisterprüfung genutzt werden kann. Das 6. Semester wird meist in englischer Sprache unterrichtet. Die abschließenden Prüfungen müssen im 7.Semester vor der HWK Ulm abgelegt werden, egal welche HWK im Normalfall für einen zuständig wäre. Diese Zusatzqualifikation zum Polier/Meister wird von der Hochschule organisatorisch ermöglicht.
Damit war es das nicht, denn im 7. Semester wird außerdem eine selbstständige Projektarbeit erwartet, nach der durch den Nachweis aller Prüfungen von der Hochschule Biberach den akademischen Grad Bachelor of Engineering verliehen wird. Die Teilnehmer gewinnen durch das Modell etwa ein Jahr an Zeit und können zusätzlich, wie schon erwähnt, das 1. Lehrjahr auslassen.
Wie sieht es mit den Kosten und dem Verdienst aus?
Was das Biberacher Modell kostet, kann man nicht pauschal sagen, da viele Faktoren eine Rolle spielen. Teilnehmer, deren Betrieb Mitglied bei der SOKA Bau ist, werden von der Sozialkasse stark gefördert werden und ihnen wird ein Teil der Kosten abgenommen. Natürlich kommt es auch immer auf den Betrieb an. Manche Betriebe beteiligen sich auch über die Ausbildung hinaus an den Kosten, andere möchten nichts dazu beitragen.
Während der Ausbildung wird man nach dem Tariflohn entlohnt, von dem 600 Euro Seminargebühr pro Halbjahr weggehen, da die Vorlesungen im 1. Semester noch nicht an der Hochschule stattfinden, sondern im Kompetenzzentrum in Biberach. Vorstellen kann man sich das wie den Unterricht an einer Privatschule oder ein Seminar. Auch andere Kosten müssen am Anfang bedacht und mit einkalkuliert werden. Schulmaterialien, Verpflegung während des Blockunterrichts und die Unterkunft.
Bei der Überbetrieblichen Ausbildung werden die Kosten von dem Betrieb übernommen und während des Berufsschulblocks kommt die SOKA für die Übernachtung im Wohnheim auf. Dort muss die Verpflegung, sowie die Anfahrt aus eigener Tasche bezahlt werden.
Nach der Ausbildung kann man sich bei dem Ausbildungsbetrieb oder auch bei einem anderen Betrieb als Werkstudent unter Vertrag nehmen lassen, am besten in einem Holzbau Unternehmen oder einem Ingenieurbüro, um den praktischen Bezug zum Beruf nicht zu verlieren. Es können in diesem Status auch schon kleine Projekte geleitet werden, da das Fachwissen schon zu Beginn des Studiums entsprechend gut ausgeprägt ist.
Ab dem Studium an der Hochschule entstehen Kosten für die Verwaltung (70 Euro pro Semester), den Studentenwerksbeitrag (74,50 Euro), Studierendenschaftsbeitrag (15 Euro) und natürlich für das tägliche Leben.
Wer nicht aus Biberach oder Umgebung kommt, braucht vorteilhafter Weise ein Zimmer im Studentenwohnheim oder in einer WG, muss sich selbst um die Verpflegung kümmern und auch mit anderen Kosten rechnen. Nicht zu vergessen sind die Kosten für den Polier- (ca. 3.000 Euro) und den Meisterkurs (ca. 4.095 Euro) sowie die Prüfungskosten bei der Handwerkskammer Ulm in Höhe von 1.500 Euro.
Abschließend muss man ganz klar sagen, dass sich alles im Leben auszahlt und der Verdienst als Zimmermeister oder Bauingenieur natürlich höher ist, als das Gehalt eines Gesellen. Während des Studiums kann auch BAföG für Studierende beantragt werden, was eine große Stütze sein kann. Auch während der Ausbildung zum Meister hat man die Möglichkeit auf Meister BAföG.
An wen richtet sich das Biberacher Modell?
Das Angebot richtet sich an junge Menschen mit allgemeiner oder fachgebundener Hochschulzugangsberechtigung. Nun könnte man meinen, dass vor allem der Nachwuchs aus größeren Holzbaubetrieben das Biberacher Modell absolviert, um danach möglichst schnell in das elterliche Unternehmen einsteigen zu können. Dem ist nicht so. Viele besuchen den Studiengang, ohne einen intensiveren Kontakt zum Holzbau mitzubringen. Der Studiengang ist auch ein perfekter Einstieg für diejenigen, die etwas im Holzbau bewegen, eine Führungsposition im Holzbau übernehmen wollen oder ein Großprojekt im Ausland leiten wollen.
Eine weitere Besonderheit des Biberacher Modells: Der Frauenanteil ist mit 12 bis 13 Prozent deutlich höher als in üblichen Klassen von Auszubildenden im Zimmerhandwerk. Im Handwerk kann jeder zeigen was er kann, ganz egal, ob Mann oder Frau!
Ein Praktikum oder auch andere Arbeitserfahrungen in diesem Berufsfeld sind zwar nicht zwingend notwendig, aber sehr zu empfehlen. Man sollte ja wissen, auf was man sich da einlässt. Wer diesen Studiengang absolvieren möchte, sollte zielstrebig, ehrgeizig und belastbar sein. Berufsschule, Studium, ÜBA und die Arbeit im Betrieb unter einen Hut zu bekommen, ist nicht immer ganz einfach und man wird oft vor Herausforderungen gestellt. Man sollte in der Lage sein, sich seine Zeit gut einteilen zu können und den Fokus auf das Wesentliche zu legen. Aber keine Sorge, auch das Privatleben und das Zwischenmenschliche kommt in Biberach keineswegs zu kurz. Viele Teilnehmer machen sich anfangs sorgen, keinen Anschluss zu finden oder den Weg alleine gehen zu müssen. Diese Sorge kann glücklicherweise schnell verworfen werden, da jeder einzelne Jahrgang des Modells wie eine kleine Familie ist. Jeder hilft jedem, was nicht nur während der Ausbildung, sondern auch in der Studienzeit sehr wichtig ist. Denn wer kennt es nicht noch aus Schulzeiten, jedem liegt etwas anderes mehr, weswegen man sich untereinander unterstützen und helfen sollte.
Man fühlt sich in Biberach jederzeit herzlich willkommen. Die Abende nach einer Klausur oder einem harten Tag lassen die Studenten zusammen ausklingen und man hat viel Spaß in der Gruppe. Dieser Studiengang ist kurz gesagt also für jeden geeignet, der am Holzbau interessiert und handwerklich nicht ganz unbegabt ist.
Eins sollte abschließend gesagt sein: Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen, aber das Biberacher Modell hat schon viele Hunderte zum Meister gemacht!
Quellen:
Interview mit Wolfang Schafitel, Ansprechpartner für das Biberacher Modell
https://zimmererzentrum.de/de/ausbildung/duales-studium-biberacher-modell/
Verfasserin: Sabrina Zolg
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